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Wehenmittel können vermieden werden

Informiert mit Stress und Zeitdruck gut umgehen

Die Geburt einzuleiten ist bei mindestens 20 % der Frauen, die zur Geburt in die Klinik gehen, üblich geworden. Nur wenige Indikationen sind bekannt, bei denen dieser Eingriff gerechtfertigt ist. Über das Zusammenspiel der mütterlichen und kindlichen Hormone, wenn beiden Zeit, Raum und eine entspannte Umgebung geschaffen wird, können Sie hier vertiefend nachlesen: Iris Eichholz: Kinderrechtsverletzungen während Schwangerschaft, Geburt und in den ersten Lebenstagen, S. 28-30.
Aufgrund unserer Kenntnisse heute, müssen wir sagen, dass die Bedingungen in Kliniken mit idealen Möglichkeiten für eine in Ruhe begleitete Geburt nur selten anzutreffen sein werden. Die Diskussion um Cytotec greift das Thema der häufig eingeleiteten Geburten insgesamt auf, was einen Blick auf Klinikpraxis und Klinikroutine ermöglicht. Dem muss insgesamt durch strukturelle Veränderungen begegnet werden.

Ein erster richtiger Schritt ist getan mit der Erstellung einer S3-Leitlinie (hohes wissenschaftliches Niveau) im Dezember 2020.
Wir empfehlen, dass Sie diejenigen Informationen der Leitlinie auswählen, die Sie interessieren. Wir begrüßen, dass mehr Mitsprache der Frauen möglich geworden ist. (Z. B. 24 Stunden Warten nach vorzeitigem Blasensprung; Vetorecht beim Kristellern; Wahlrecht, ob die Nabelschnur auspulsieren oder zwischen 1 und 5 Min. abgenabelt werden soll, usw.)

Wehenfördernde Medikamente werden gegeben, wenn der vegetative, hormonell bedingte Prozess der Geburt als zu schwach diagnostiziert wird.
Sehr häufig liegt der Grund aber nicht bei der Frau selbst sondern beim Drumherum: Unruhe, Stress und Zeitdruck, Angst, helles Licht, fremde Menschen, Erwartungen der Familie... . Die sprichwörtliche "Höhle", in die sich Menschen zurückziehen würden, wenn sie etwas existenziell Wichtiges planen, gibt es in Kliniken (noch) nicht. Also suchen wir Ersatz, um dem Gefühl, geschützt und abgeschirmt zu sein, Raum geben zu können. Darum überhaupt die Frage: Wo will ich mein Kind zur Welt bringen? Kein Wunder also, dass der Ort der Geburt sich auf die Wehenentwicklung in bedeutender Weise auswirkt. Darum auch die Empfehlung, nicht zu früh in die Klinik zugehen, sondern lange (in Absprache mit der Hebamme oder Gynäkologin) im vertrauten zuhause zu verweilen. 

Zur Behandlung der "Wehenschwäche" stehen synthetische Hormone zur Verfügung. Sie bewirken, dass sich die Gebärmuttermuskeln krampfartig zusammenziehen. Da diese Kontraktion künstlich herbeigeführt wird, findet die Ausschüttung körpereigener Hormone (Endorphine) zur natürlichen Schmerzlinderung auch nicht statt. Das hat zur Folge, dass der künstlich erzeugte Schmerz, der die Intensität normalen Schmerzes weit übersteigt, mit künstlichen Schmerzmitteln „bekämpft“ wird. Das kann der Beginn einer Interventionskaskade sein. Nach einer Studie zur klinischen Geburtshilfe äußern 83% der ExpertInnen, dass künstliche/ eingeleitete/ durch Medikamente hervorgerufene Wehen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Geburt mit einem Kaiserschnitt endet. (2)

Syntocinon
Es gibt Hinweise, dass Wehenmittel auch die Gebärmutter weiblicher Babys schmerzhaft stimulieren können. Die Gebärmutter eines weiblichen Babys wird während der Geburt so groß wie bei einer Siebenjährigen, bevor sie sich danach wieder verkleinert. Untersuchungen zur Wirkung künstlicher Wehenmittel auf weibliche Babys sind uns nicht bekannt. Laut Beipackzettel des Herstellers des synthetischen Hormons Syntocinon werden nachgeburtlich bei einigen Kindern (männlich, weiblich?) krampfartige Reaktionen beobachtet. (1)

Cytotec
Dieses Medikament ist für die Geburtshilfe nicht zugelassen und inzwischen verboten. Der Wirkstoff Misiprostol ist aber nicht verboten worden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte reagierte im März 2020 mit einer Rote-Hand-Warnung: Cytotec "darf, basierend auf der Produktinformation, nicht bei Schwangeren angewendet werden". Wir empfehlen, in Kenntnis dieser Information, Cytotec als Medikament abzulehnen.

Angusta25
ist der Name für ein neu zugelassenes Medikament. Der Wirkstoff Misoprostol ist in einer dieser Tabletten auf 25 Mikrogramm begrenzt. 

(1) Recherchen dazu in: Irene Behrmann, Marianne Sturm: Leben und Geburt. Mattes Verlag Heidelberg 2014, S. 78 ff.
(2) Befragung von geburtshilflichen Expertinnen. In: Caroline Oblasser, Ulrike Ebner, Gudrun Wesp: Der Kaiserschnitt hat kein Gesicht., Riedenburg Verlag Salzburg 2007, S. 274 ff.

10/2022