Wehenschwäche bei Erstgebärenden
.. zumeist die Folge von Zeitmangel, Ungeduld und fehlender Geborgenheit
Die Entwicklung von Wehen dauert individuell unterschiedlich lange. Beim ersten Kind können viele Stunden vergehen, mehr als bei weiteren Kindern. Der Faktor Zeit spielt bei jeder Geburt eine große Rolle. Um sich entspannen zu können, loszulassen und sich in die Geburtssituation fallen zu lassen, braucht es Ruhe, Gelassenheit und Geduld. Zeit brauchen mütterliche und kindliche Organe, um alle während der Geburt erforderlichen und hilfreichen Hormone zu bilden. Der mütterliche Körper muss sich weiten können. Sogar die Knorpel am Steißbein werden weich und biegsam.
Eine neue Leitlinie "S3-Vaginale Geburt am Termin" enthält wichtige Hinweise insbesondere zum Beginn der Geburt, der sog. Latanzphase. Insbesondere Erstgebärende könne einen verbreiteten Anfangsfehler vermeiden, wenn sie nicht zu früh in die Klinik gehen.
Geburtsort suchen und anmelden ab 30. Woche ist möglich, wenn Sie in die Klinik gehen. Außerklinisch begegnet Ihnen sicher kein Zeitdruck, wie er von Kliniken bekannt ist.
Zu der Diagnose „Wehenschwäche“ kommt es bei Frauen, deren Muttermund sich nicht innerhalb einer vorbestimmten Zeit geöffnet hat. Ca. 20 % aller Frauen in Kliniken werden deshalb zur Eile angetrieben und ihnen wird vermittelt, dass sie nicht in der Lage wären, ausreichend Wehen zu „produzieren“. Die Tendenz, in Kliniken, aufgrund von „Wehenschwäche“ Wehenmittel zu verabreichen, steht darum im Widerspruch zu einer naturgemäßen hormonellen Entwicklung, insbesondere bei Erstgebärenden.
Wehenmittel sind immer künstlich hergestellt, auch wenn es heißt, dass sie natürlichen Hormonen entsprechen. Sie verursachen stärkere Schmerzen als natürliche Wehen. Ein sogenannter Wehensturm kann die Folge sein und für die Gebärende sehr unangenehm und anstrengend, weil die Wehenpausen verkürzt sind oder fehlen. Die begleitende Dauerüberwachung der Herztöne des Babys durch ein CTG ist vorgeschrieben. Dadurch wird die werdende Mutter in ihrer Bewegungsfreiheit aber eingeschränkt. Meist kommt es dann zur liegenden Geburtsstellung, die nachweislich länger dauert, weil die Schwerkraft nicht genutzt werden kann. Auch verhindert das Eigengewicht der Frau, dass sich der Beckenring nach hinten weiten und dehnen kann.
Häufig müssen schmerzlindernde Mittel gegeben werden. Sie beeinflussen den Geburtsverlauf negativ und können zu Kreislaufproblemen führen. Folglich werden Kreislauf stabilisierende Medikamente nötig mit weiteren nicht absehbaren Konsequenzen. Das Ende dieser Kette von Eingriffen (Interventionskaskade) in den naturgemäßen Geburtsverlauf ist häufig ein Kaiserschnitt wegen „schlechter Herztöne“ des Kindes.
Aus unserer Sicht ist das eine Besorgnis erregende Fehlentwicklung, insbesondere angesichts der Tatsache, dass es bei bis zu 50 % aller CTG-Herztonmessungen vor und während der Geburt zu Fehldiagnosen kommt in Bezug auf die "Gefährdungslage des Kindes." (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe 2014). In den zwei Stunden vor der Geburt zeigen 90 % der CTG pathologische Werte. („Gegen den Trend – Wie es gelingen kann, die Kaiserschnittrate zu senken“ Broschüre des AKF 2018, S. 12) Diese Diagnosen sind verantwortlich für Komplikationen im Geburtsverlauf, weitere Eingriffe (z.B. Mikroblutuntersuchung/MBU) und für viele Kaiserschnitte.
Jede Frau hat das Recht, im gemeinsamen Rhythmus mit ihrem Baby zu gebären. Die Zeit, die sie dafür braucht, ist zu respektieren, egal an welchem Ort. Die Geburt endet, wenn die Nabelschnur von selbst auspulsiert ist und die Plazenta geboren ist.
10/2022