Ärger mit der Arztpraxis?
... wegen Mitbetreuung durch eine Hebamme?
Hebammen und Ärzte sind gleichberechtigt befugt, Vorsorge durchzuführen. Es gefällt manchen Ärzten nicht, wenn sie nur die Leistungen erbringen sollen, die von Hebammen nicht angeboten werden, z. B. Ultraschall. Von ÄrztInnen werden Argumente vorgebracht, die wir einmal gesammelt haben:
- Das Recht auf die parallele Betreuung durch eine Hebamme wird in Frage gestellt. Frauen wurden sogar schon gedrängt zu unterschreiben, dass sie darauf verzichten. Das verstößt gegen ärztliches Berufsrecht, gegen das Hebammenberufsrecht und das Grundrecht der Frau der Selbstbestimmung über die eigene Gesundheit.
- die Weiterbetreuung in der Arztpraxis wird in Frage gestellt oder abgelehnt,
- der Wunsch nach einem einzelnen Basis-Ultraschall ohne gleichzeitige Vorsorge wird abgelehnt,
- als Grund werden z. B. Probleme bei der Abrechnung mit den Krankenkassen genannt, wenn z. B. bei Prüfungen herauskommt, dass Ärzte Untersuchungen abgerechnet haben, die bereits von Hebammen durchgeführt worden waren. Dann werden zu Recht Rückzahlungen fällig, weil jede Vorsorgemaßnahme im Mutterpass dokumentiert wird.
- als Grund wird fälschlicherweise angegeben, der Arzt könne nur die komplette Vorsorge pro Quartal abrechnen. das stimmt schon deswegen nicht, weil die Vorsorge grundsätzlich freiwillig ist und die Arztpraxis die Quartalspauschale auch abrechnen kann, wenn die Frau nur ein einziges Mal in der Praxis gewesen ist. Auch kann die Pauschale abgerechnet werden, wenn eine Frau am Ende des Quartals erstmalig die Praxis aufsucht. Mit solchen Aussagen wird klar gegen geltendes Recht verstoßen und sollen Frauen verunsichert werden.
- Frauen wird immer noch angeboten, einen Ultraschall privat zu bezahlen, obgleich nur noch erlaubt ist, Ultraschall nach medizinischer Indikation anzuwenden. Aber dann ist der Ultraschall Kassenleistung.
- Frauen wird Verantwortungslosigkeit unterstellt.
Abgesehen davon, dass solche Diskussionen in der Arztpraxis belastend sind, sind das alles fragliche Rechtsverletzungen. Eltern tragen grundsätzlich die Verantwortung für die eigene Gesundheit selbst. Dazu gehört auch die Vorsorge, die freiwillig ist. Andere Tests sind keine Vorsorge, sondern Angebote des Gesundheitsmarktes.
Zusatzangebote des Gesundheitsmarktes sind nur in Arztpraxen erhältlich. Niemand hat das Recht, Eltern unter Druck zu setzen.
Wenn Sie Erfahrungen, wie sie oben beschrieben sind, gemacht haben, sollten Sie diese Vorfälle melden. Dafür stellen wir ein Formular zur Verfügung. Es enthält drei Adressfelder, d. h. es soll an Ihre Arztpraxis gesendet werden, an die Kassenärztliche Vereinigung (über Suchmaschine finden) und an die Aufsichtsbehörde des Gesundheitsministeriums Ihres Bundeslandes.
Bisher (Dezember 2017 - März 2023) wurde „Ärger mit der Arztpraxis" mehr als 6000 x aufgerufen. Das ist viel im Vergleich zu anderen wichtigen Themen. Wir fragen uns, ob Eltern melden, was sie erleben.
Wir möchten Sie ermutigen, es zu tun. Warum?
1. Es geht darum, ob Sie sich dem Geschäft mit der Gesundheit anpassen und alles mitmachen und bezahlen oder ob sie ihren selbst verantworteten Weg gehen wollen, der für Sie persönlich stimmig ist.
2. Wir sind der Auffassung, dass die hohe Kaiserschnittzahl durch den Mutterpass mit seinen ca. 100 Tests und Untersuchungen mitbedingt ist. Dadurch werden schwangere Frauen nachweislich eher verunsichert. Tests können aber nicht heilen. Sie führen zu Wahrscheinlichkeitsergebnissen, die häufig Folgetests nach sich ziehen.
Viele Frauen haben das erkannt. Sie wollen ihr Recht auf eine ungetestete Schwangerschaft und Nichtwissen in Anspruch nehmen. Das ist leichter bei einer Hebammenvorsorge zu realisieren.
3. Hier geht es leider auch um einen Konkurrenzkampf zwischen Ärztlnnen und Hebammen, der nicht neu ist. Er wird auf dem Rücken schwangerer Frauen ausgefochten. Bisher wird dieser Kampf nicht öffentlich ausgetragen. Das ist unfair, weil Frauen während Schwangerschaft und Geburt beide brauchen – Hebammen immer bei der Geburt und Ärzte manchmal.
4. Sie als Eltern müssen wissen: Die ärztlichen Zusatzangebote in der Schwangerschaft sind eine lukrative Einnahmequelle, weil besorgten Eltern viele Tests und Zusatzuntersuchungen leicht verkauft werden können. Das alles entfällt, wenn eine Mutter die Vorsorge bei einer Hebamme machen lässt.
In der Vergangenheit haben Eltern mit Hebammen meist sehr gute Erfahrungen gemacht. Auch das spricht sich herum, bei Eltern aber auch bei Ärztlnnen. Damit entgehen diesen aber die Zusatzeinnahmen. Das ist der eigentliche Grund, warum Ärzte die schwangeren Frauen von Anfang an an ihre Praxis binden wollen. Das hat sich in 40 Jahren so eingebürgert, ohne dass es dazu nennenswerten Widerspruch gab.
Durch die hohen Kaiserschnittzahlen und viel zu viele Frühgeburten ist die Öffentlichkeit alarmiert. Die Bundesregierung hat 2017 in Bezug auf eine Anfrage bezüglich des Versuchs, Frauen durch Unterschrift an die Arztpraxis zu binden im Parlament geäußert, es sei zu prüfen, ob ein „Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten" vorliege. Die Zusammenarbeit mit Hebammen ist nämlich in den Mutterschaftsrichtlinien ausdrücklich vorgesehen.
Wenn Sie wollen, dass es auch in Zukunft noch Hebammenvorsorge gibt, z. B. wenn ihre eigenen Töchter Kinder bekommen, dann genügt es heute nicht, wenn Sie sich ärgern. Es ist erforderlich, dass Sie den Mut aufbringen und das, was geltendem Recht widerspricht, melden. Das oben verlinkte Formular geht an drei Empfänger, die wissen sollen, dass andere Stellen auch Bescheid bekommen.
Wenn Sie uns als GreenBirth zusätzlich informieren, erfahren die Empfänger, dass Sie nicht allein dastehen. Wenn Sie nichts tun, sehen die Adressaten keinerlei Anlass, irgendetwas zu verändern, weil sie nicht einmal ahnen, was sich in den Arztpraxen abspielt.
Wir haben über den Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages erreicht, dass uns nun diese Information vom Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages zur Verfügung steht. Darin steht schwarz auf weiß, dass Frauen das Recht haben, sowohl von einer Hebamme als auch von einer Ärztln begleitet zu werden.
03/2023