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Eipollösung 

Interview mit Prof. Dr. Sven Hildebrandt

Film über eine Eipollösung – Anlass für sechs Fragen

Zwei Frauen haben unabhängig voneinander im Netz einen kurzen Film gesehen, bei dem bei einer Frau eine Eipollösung vorgenommen wurde. Die Frau muss schlimme Schmerzen gehabt haben. Beide Frauen waren entsetzt und fragen uns, GreenBirth, was wir dazu sagen können.

sven hildebrandt gynaekologeSara Felgentreu, UX-Designerin, und Olkeda Rudolf,  Betriebswirtin im Gesundheitswesen, stellen Prof. Dr. Sven Hildebrandt sechs Fragen. Er ist Gynäkologe, ärztlicher Betreiber des Geburtshauses Bühlau in Dresden und Hebammenausbilder an der Fachhochschule Fulda.

 

Themen: Geburtseinleitung – Klinikpraxis – Schmerzhaftigkeit – Rizinus-Cocktail (kritisch) – körpereigenes Prostaglandin – Risiken – Aufklärungspflicht.

Frage:  Wann ist die Eipollösung notwendig? (Wenn Sie überhaupt notwendig ist)

Sven Hildebrandt: Die Eipollösung ist eine Intervention im Rahmen der künstlichen Geburtseinleitung. Dabei wird mit einem oder zwei Fingern in den Muttermund eingegangen und dann mit einer kreisförmigen Bewegung der untere Pol der Fruchtblase vom unteren Teil der Gebärmutter gelöst. Die wissenschaftliche Datenlage weist bei dieser Methode durchaus Effektivität nach. Allerdings ist sie für die Schwangere sehr unangenehm und mit dem Risiko von Verletzungen, unkoordinierter Wehentätigkeit und Blutungen verbunden.

Generell gelten auch für diese Intervention alle Regeln der Geburtseinleitung. Eine Geburt sollte immer dann künstlich eingeleitet werden, wenn die plazentaren Ressourcen des Kindes erschöpft, aber die normalerweise dann einsetzenden Geburtsmechanismen aus irgendeinem Grund blockiert sind. Dann und nur dann ist die Einleitung der Geburt zwingend notwendig.

Leider werden im geburtshilflichen Alltag viel zu viele Geburten künstlich eingeleitet. Schon das Erreichen eines bestimmten Schwangerschaftsalters – oft 41 + 3 (SSW) – gilt in vielen Kliniken als Indikation zur Geburtseinleitung. Diese Praxis ist wissenschaftlich sehr fragwürdig und birgt unter Umständen mehr Risiken als Vorteile.

Unter den verschiedenen Möglichkeiten, eine Geburt einzuleiten, spielt die Eipollösung in der klinischen Praxis wegen ihrer Schmerzhaftigkeit eine untergeordnete Rolle.

Generell gilt für die Geburtseinleitung folgende Grundregel: am besten und effektivsten sind Methoden, bei denen eine körpereigene Prostaglandin-Ausschüttung provoziert wird, sozusagen der Körper selbst das Einleitungs-Hormon herstellt. Dies kann durch mechanische Manipulationen am Muttermund erfolgen – also auch bei der Eipollösung. Insofern ist diese Methode geburtsphysiologisch gar nicht so schlecht – hat aber die besagten Nachteile und Risiken.

Frage: Welche Alternativen gibt es dazu?

Sven Hildebrandt: Am besten sind Methoden, die den Muttermund mechanisch stimulieren. Dies ist schon beim einfachen Geschlechtsverkehr der Fall. Beim Geschlechtsverkehr kommt die einleitende Wirkung, also durch die mechanische Stimulation des Muttermundes und gegebenenfalls zusätzlich durch den Orgasmus der Frau zu Stande.

Körpereigenes Prostagladin wird auch bei der Verabreichung von Rhizinonsäure ausgeschüttet (der so genannte Rhizinus-Coctail). Allerdings wurde diese Methode sehr unkritisch als eine Art Hausmittel angewendet, weshalb sie zurecht derzeit in der Kritik der Wissenschaft steht. Ein Rhizinus-Cocktail muss genau so ernst genommen werden wie eine medikamentöse Geburtseinleitung und sollte niemals ohne Überwachung des Kindes und im häuslichen Umfeld erfolgen.

In der Klinik kommt gelegentlich ein weiteres Verfahren zur Anwendung, bei dem das körpereigene Prostaglandin aktiviert wird: man schiebt ein Stäbchen in den Gebärmutterhalskanal ein, das dem Muttermund Wasser entzieht. Durch diesen Austrocknungseffekt wird vom Körper Prostaglandin freigesetzt.

Indirekt führt auch die Brustwarzenstimulation zur Aktivierung der Geburt. Dabei wird Oxytocin ausgeschüttet, wodurch der Druck auf das untere Segment der Gebärmutter erhöht wird.

In der Pflanzenheilkunde werden mehrere Methoden beschrieben, die das Geburtssystem reifen lassen. Am effektivsten scheint dabei ein Tampon mit Nelkenöl zu sein, das das körpereigene Prostaglandin aktiviert.

In der Klinik werden meist synthetische Prostaglandine von außen zugeführt – als orale Tablette oder als lokal wirksame Applikation in die Scheide.

Frage: Was sind Risiken bzw. Nebenwirkungen dieses Eingriffes und wie hoch sind die Wahrscheinlichkeiten dafür?

Sven Hildebrandt: Der Eingriff ist sehr schmerzhaft und kann mit einer ernst zu nehmenden Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen und Blutungen am Muttermund führen. Auch können dadurch mit einer ebenfalls ernst zu nehmenden Wahrscheinlichkeit unkoordinierte Gebärmutterkontraktionen ausgelöst werden.

Frage:
Wie müssen Schwangere und begleitende Personen aufgeklärt werden, damit es als „umfassende Aufklärung“ gilt?  

Sven Hildebrandt: Es gelten die gleichen Aufklärung- und Einwilligungsregeln wie bei jeder anderen Intervention: der Schwangeren müssen die Indikationsstellung, die Vorteile der Methode, die Erfolgsschancen, die Risiken und deren Wahrscheinlichkeit ausführlich erklärt werden.

Frage: Wie sind dort die Rechtsvorschriften?

Sven Hildebrandt: Das Bürgerliche Gesetzbuch nennt die Aufklärungs- und Einwilligungsregeln ganz eindeutig.

Frage: Was sind „Grauzonen“ und/oder Taktiken, welche genutzt werden, um von Seiten der Medizin einen schnellen Eingriff vollziehen zu können?

Sven Hildebrandt: Eine denkbare Grauzone ist eine unsachgemäße Manipulation im Rahmen einer vaginalen Untersuchung. Unter der Vorgabe, den Muttermund Befund erheben zu wollen, führt die Untersuchung der Person derartig intensive Manipulationen durch, dass es zur Ipol – Lösung kommt. Generell sollte jede vaginale Untersuchung möglichst vermieden werden.

Herr Hildebrandt, wir danken Ihnen für diese Informationen.

01/2025

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