Leitlinie S3 – Bindung nach der Geburt
Was steht in der S3-Leitlinie?
Leitlinien sind Empfehlungen für das Klinikpersonal. Damit Schwangere/Eltern wichtige Aspekte daraus kennen, informieren wir darüber. Eltern wird wesentlich mehr Entscheidungsbefugnis eingeräumt als bisher. Es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung bei Klinikgeburten. Informiert zu sein bringt Gelassenheit. Das Personal merkt leicht, ob es mit informierten oder unwissenden Eltern zu tun hat.
LL = Leitlinie.
Aussagen der S3-Leitlinie, aus der Kurzfassung. Wir geben den Inhalt in nichtmedizinischer Sprache wieder. Wir zitieren und markieren mit „…“ und Ziffernangabe. Zu beachten sind sprachliche Feinheiten, wie der Unterschied zwischen „soll" und „sollte".
GreenBirth: Wir erläutern ohne den Anspruch der Vollständigkeit und ohne Gewähr. Alle Hervorhebungen, fett oder kursiv von Greenbirth.
Leitlinie:
Foto: Kerstin Pukall
Die Zeit unmittelbar nach der Geburt des Kindes ist für die erste Begegnung von Mutter, Baby und Vater/Begleitperson wichtig (Bonding 9.1). Mütter sollen baldmöglichst nach der Geburt des Kindes beim Haut-zu-Haut-Kontakt mit dem Baby unterstützt werden (9.2).
Stillen: Jede Mutter soll ermutigt und darin unterstützt werden, ihr Kind innerhalb der ersten Stunde an die Brust zu legen, um das Stillen zu fördern. (9.5.5)
Alle auf die Geburt des Kindes folgenden Maßnahmen und Eingriffe sollen auf ein Mindestmaß verringert werden, um eine „Trennung oder Unterbrechung" des Bindungsprozesses zu verhindern (9.5.6). Auch die Begutachtung eventueller Geburtsverletzungen soll das Bonding zum Kind nicht stören (9.21).
Bei jeder Untersuchung oder Behandlung, welche das Kind betreffen, soll sichergestellt werden, dass die Eltern hierüber informiert werden und zugestimmt haben. Wo immer möglich, sollen die Eltern persönlich bei der Untersuchung oder Behandlung ihres Kindes anwesend sein (9.35).
GreenBirth:
Aus psychotherapeutischen Begleitungen wissen wir, wie grundlegend wichtig die erste Lebensstunde eines Babys ist und wie nachhaltig stabilisierend ein sicherer Bezug zu den nächsten Angehörigen für das ganze Leben sein kann.
Die hohe Verletzlichkeit von Babys besteht insbesondere im Blick auf die psychische Fähigkeit, sich in der neuen Umgebung sicher und geborgen nach und nach orientieren zu können. Nichts ist schlimmer für ein Baby, als sich verloren zu fühlen, einsam und alleingelassen. Babys brauchen fühlbar und körperlich spürbar ein menschliches Netz genauso wie wir alle.
Nach Jahrzehnten praktizierter Trennung der Babys von ihren Eltern, wird nun endlich dem Ankommen des Babys auf der Welt Raum und Bedeutung beigemessen. Diese Empfehlungen dienen der Bindung von Eltern und Kind unmittelbar nach einer vaginalen Geburt.
Damit werden grundlegende Bedürfnisse von neugeborenen Kindern und ihren Eltern nach Nähe anerkannt. (Die Bedürfnisse von Kindern nach Kaiserschnitt sind gleich bedeutend.)
Eine gelungene Anbindung nach der Geburt beruhigt das Baby, gibt ihm Sicherheit und den Eltern das Gefühl der Verbundenheit. Geht es um die Situation, mit dem Baby allein zu leben, gilt dasselbe. Mutter und Baby gehören zusammen, das muss spürbar und fühlbar für beide sein und stärkt ein ganzes Leben lang.
Auch bei Frühgeburtlichkeit spielt die Möglichkeit, die Bindung zur Mutter/zum Vater körperlich zu erleben, eine wesentliche Rolle für eine psychisch stabile Entwicklung. Die sogen. Känguruh-Pflege* ist noch immer nicht überall Standard. Sprechen Sie das Thema an, wenn Sie und Ihr Kind von Frühgeburtlichkeit betroffen sind. Die Kliniken sind gehalten, sich an den Empfehlungen zu orientieren.
* Bei der Känguruh-Pflege, wird ein neugeborenes Kind im Haut-zu-Haut-Kontakt Mutter, Vater oder auch einem älteren Geschwisterkind auf die Brust gelegt. Marina Marcovich, eine österreichische Ärztin, holte die Methode von Südafrika nach Europa, mit erstaunlichen Erfolgen.