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Pränataldia­gno­stik – Ap­pell ei­ner Mut­ter

...für das Recht auf eine ungetestete Schwangerschaft

„Als Matthias und ich ein Paar wurden, erzählte er mir, dass er sich Kinder wünschte, aber erst in zehn Jahren oder so. Dieser Abstand blieb allerdings jahrelang konstant. Als ich 30 wurde, regte sich bei mir der Kinderwunsch. Als ich Matthias darauf aufmerksam machte, dass er sich in 10 Jahren oder so vielleicht eine andere Frau suchen müsse, mit der er noch Kinder bekommen könnte, war er überrascht.

Außerdem, so erzählte ich ihm, sei die Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit Down-Syndrom zu bekommen, umso höher, je älter die Frau sei. Matthias erinnert sich an diese Unterhaltung nicht. Ich glaube, die ganze Sache war viel zu abstrakt für ihn. Er bewegte die Idee, Vater zu werden in seinem Kopf und hatte es bald eiliger damit als ich. Er erledigt halt gerne alles sofort.

Dass ich bald schwanger wurde, kam uns fast selbstverständlich vor – genauso wie die Annahme, unser Baby würde gesund und unbehindert zur Welt kommen.

Als ich vom Arzt einen ganzen Stapel Informationen zum Thema vorgeburtliche Untersuchungen mitbrachte, hatte Matthias keine Lust, sie anzuschauen. Ich weiß noch, dass ich versuchte, ihm die verschiedenen Möglichkeiten zu erklären. Einige Tests ergaben nur grobe Wahrscheinlichkeiten, andere konnten eine Behinderung wie das Down-Syndrom mit relativ hoher Sicherheit diagnostizieren, aber diese bargen auch eine Gefahr für das ungeborene Baby.

Matthias interessierte die Sache nicht und weil ich ohnehin nicht vorhatte, unser Kind abzutreiben, machte ich keine Tests. Später, nach Willis Geburt habe ich vielfach das Gefühl gehabt, ich müsste mich dafür rechtfertigen, dass ich mein Kind nicht „getestet“ hatte. Ich erinnere mich, dass ich immer dann Verständnis für diese Entscheidung bekam, wenn ich erzählte, dass ich das Leben des Babys durch die Entnahme von Fruchtwasser gefährdet hätte...

Ob die Frauen dann wohl abwarten, ihr Kind zu lieben, bis nach dem Test? Und was sagt man ihm später, wenn es einen fragt: Mama, was hättest Du getan, wenn ich behindert gewesen wäre?

Mich macht es krank, wie scheinheilig die ganze Diskussion ist. Der Test soll Leben retten? Was ist mit dem Leben einer Mutter, die ein Wunschkind abgetrieben hat?

Für alle Babys mit Down-Syndrom und ihre Mütter ist der Test lebensgefährlich! Die Frauen werden unendlich verunsichert sein und große Angst haben. Und an ihrer Seite wird ein Arzt stehen, der bereit ist, umgehend einen Termin zu machen, um dieses Kind und die Angst aus der Welt zu schaffen. An ihrer Seite sollte aber unsere ganze Gesellschaft stehen, die sagt: Wir werden dieses Kind lieben und Du wirst mit unserer Hilfe alles schaffen!
Ich würde das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche niemals in Frage stellen. Aber mir scheint, dass die Zeit reif ist für den Kampf um das Recht auf eine ungetestete Schwangerschaft und das Recht des Kindes auf bedingungslose Liebe!"
Birte Müller ist Bilderbuchautorin, Illustratorin und Kolumnistin.

Erschienen in der Rubrik „Müllers Meinung" in der Zeitschrift »Erziehungskunst – Frühe Kindheit« unter dem Titel „Hast du das denn nicht getestet?". Die Zeitschrift wird herausgegeben von der Vereinigung der Waldorfkindergärten in Zusammenarbeit mit dem Bund der Freien Waldorfschulen. Ausgabe: Sommer 2018.
Wir bedanken uns für die freundliche Genehmigung, den Artikel zu verlinken.

GreenBirth: Wie wir heute wissen, ist bei dem „nicht invasiven Bluttest" leider mit einem hohen falsch-positiven Testergebnis zu rechnen, je jünger eine Frau ist. Z. B. muss eine 26jährige Frau zu 51 % damit rechnen, ein falsch positives Ergebnis zu bekommen. Will sie dann Gewissheit erlangen, ob ihr Kind eine genetische Besonderheit hat oder nicht, bleibt nur die Möglichkeit der für das Baby gefährlichen Fruchtwasserpunktion. Lesen Sie dazu unseren Beitrag  nichtinvasiven Bluttest (NIPT), der diesen Sachverhalt aufgreift.

11/2022

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