Programmierte Geburt – Altlast mit schweren Folgen bis heute
Vor 50 Jahren von Irland eingeführt
Die „Programmierte Geburt" war in den 1970er Jahren ein Schlagwort, das die Runde machte. Frauen akzeptierten, dass Wehenhemmer eingesetzt wurden, wenn der Chefarzt noch nicht aus dem Urlaub zurück war. Bei der Personalplanung für Hebammen konnten Sonn- und Feiertage besser berücksichtigt werden.
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Die meisten Frauen ahnten die Folgen solcher Eingriffe für sie selbst und ihr Kind nicht.
Es gab auch Proteste: Frauen und Hebammen kehrten der Klinik den Rücken, um zu außerklinischen Geburten zurückzukehren. Es ist die Zeit der Gründung der GfG, des Bundes freiberuflicher Hebammen Deutschlands und des Arbeitskreises Frauengesundheit AKF.
Seit dem sind es jährlich etwa 10-12.000 Geburten, die außerklinisch stattfinden. Vorsorge und Wochenbettbetreuung wurden zu einem neuen Arbeitsschwerpunkte der außerklinischen Hebammenarbeit. Sie wurde dadurch begünstigt, dass viele Hebammen aus dem Angestelltenverhältnis der Kliniken entlassen wurden.
Outsourcen nannte man das. So sparten die Kliniken Personalkosten. Es war kostengünstiger für sie, freiberufliche Hebammen durch Verträge zu binden.
Weitreichende Folgen hatte es, dass die „Programmierte Geburt" niemals ernsthaft infrage gestellt wurde. Sie etablierte sich flächendeckend und wurde in die Klinikroutine nahtlos integriert. Die Zeit der „Kunst des Abwartens" war vorbei.
Frauen, die heute zur Geburt in die Klinik gehen, wissen davon nichts. Sie denken, es sei normal, dass eine Verweilkanüle/Braunüle gelegt wird, dass Wehen eingeleitet werden, dass Geburt im Liegen stattfindet und glauben, dass ihnen die Prozeduren die höchst mögliche Sicherheit geben, wie sie es aus dem Kino oder Fernsehen kennen.
Das Ergebnis dieser propagierten Sicherheit ist allerdings, dass durch Manipulationen während der Geburt Risiken geschaffen werden, die ohne Eingriffe nicht auftreten würden. Weheneinleitungen – PDA – Kaiserschnitt ... bilden eine der häufigsten Verkettungen in der klinischen Geburtsmedizin.
Entsprechend dieser Praxis wurden auch die Hebammen zur Dienstleistung und zur Bedienung von Technik und Medikamenten ausgebildet, in „Schulen", die den Kliniken angegliedert waren. Hebammenschulen waren nicht Teil des öffentlichen Schul- und Bildungssystems. Hebammen„schülerinnen" wurden für eine Geburtsmedizin ausgebildet, die an Leit- und Richtlinien der Ärzteschaft orientiert war.
Das Ausbildungssystem für Hebammen hinkte vielen Ländern in Europa hinterher. Qualifikationen für die selbstständige außerklinische Geburtshilfe wurde häufig durch Eigeninitiative und Auslandsarbeit erworben.
Ab 2020 wird Hebammen auch in Deutschland die akademische Ausbildung in einem dualen Ausbildungsgang ermöglicht. Nachwuchs gibt es reichlich. Ein Wunder und eine Hoffnung angesichts der gegenwärtigen Steine, die dem Beruf in den Weg gelegt werden.
Programmierte Geburten – In Irland fing es an
Erst wurde die Klinikgeburt zur Kassenleistung. Das hatte einen Ansturm der Frauen auf die Kliniken zur Folge. Dann kam die Idee, Geburten zu programmieren.
„Ein geburtsmedizinisches Konzept aus Irland mit Langzeitfolgen [von] Kieran O'Driscoll, irischer Arzt, Gynäkologe an der Maternity in Dublin in den 70er Jahren. Er entwickelte das Dubliner Konzept der aktiven Geburtsleitung, um die Eröffnungsphase abzukürzen (... inoffizielles Motiv dafür war[en], wie O'Driscoll in einem Interview zugab, Personalgründe).
Es bestand aus mehreren Einzelkomponenten:
1. Nur eindeutig sich unter der Geburt befindende Mütter werden in den Gebärsaal mit aufgenommen.
2. Jede Mutter erhält mit Aufnahme in den Gebärsaal eine Amniotomie (Fruchtblase wird geöffnet).
3. Liberale (nach Ermessen) Verabreichung von Pethidin, PDA wird nicht angeboten. (Pethidin: schmerzlindernder Wirkstoff aus der Gruppe der Opioide zur Behandlung mittelstarker bis starker Schmerzen.)
4. Stündliche vaginale Untersuchungen müssen einen Fortschritt der Zervixdilatation (Aufdehnung des Gebärmutterhalskanals) von mind. 1 cm/h zeigen. Bei geringerem Fortschritt: Gabe von Oxytocin.
5. Jeder Mutter wird zugesichert, dass die Geburt nicht länger als 12 Stunden dauert.
6. Jeder Mutter wird zugesichert, dass sie eine Non-Stop-1:1-Betreuung durch eine persönliche Hebamme bis zum Ende der Geburt bekommen wird." (1)
Quellen:
(1) Beckermann, Maria und Perl, Friederike (Hrsg.): Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Integration von Evidence-Based Medicine in eine frauenzentrierte Gynäkologie. Schwabe Verlag Basel, 2004, Bd 2, Insbesondere der von Dr. Gisela Helms und Dr. Friederike Perls verfasste Abschnitt S.1257.
O'Driscoll, K, Stronge, JM, Minogue, M: Active Managemente of Labour, British medical Journal,1973,3,135-137.11/2022