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Schwangerschaft – er­war­te­te Dau­er

Zurück zur Faustregel

Auf Basis des Erfahrungswissens vieler Generationen galt die Faustregel, dass ein Baby 9 Monate bis zur Geburt braucht. Das reicht offensichtlich jedoch nicht in einer Zeit, die nach tausendstel Sekunden das Jahr, sportliche Höchstleistungen und Umlaufbahnen von Satelliten misst.
apfelbaumFoto: Pixaby free - Für keinen Apfel lässt sich vorhersagen, wann er reif zur Erde fällt
Das Bedürfnis, den Geburtstag von Babys genau zu berechnen, ist verständlich, aber nicht möglich. Reifung geschieht individuell: Die Milchzähne zu verlieren, in die Pubertät zu kommen und geschlechtsreif zu werden, die Regelblutung und graue Haare zu bekommen – das alles sind Merkmale biologischer Reifung und Veränderung. Nach diesem Prinzip reifen auch Babys unterschiedlich.

Nur 4 % der Babys kommen am mittleren Termin des errechneten Geburtszeitraums auf die Welt. Dieser Zeitraum beträgt ca. 5 Wochen. Die Klinikgeburt, Mutterpass und Berufstätigkeit der Frauen fördern die Fixierung auf einen Entbindungstermin (ET). Zur Berechnung des Mutterschutzes ist das sinnvoll. Arbeitgeber möchten und müssen sich auf die Schwangerschaft und Elternzeit von MitarbeiterInnen einstellen.

Die Datierung eines Termins ist sinnvoll, die Fixierung darauf hat allerdings wesentliche negative Folgen, die erst im Laufe der letzten Jahre erkannt wurden:

• Terminfixierung – führt zu einem „Davor“ und „Danach“.
• Wöchentliche/tägliche Einbestellung/frühzeitige Einweisung in die Klinik, Geburtseinleitungen... Bei der medizinischen Betreuung der schwangeren Frauen bürgert es sich ein: Der ET wird zum Stressfaktor, den Frauen als höchst störend und belastend erleben können.
• „Überschreiten“ des ET bekam eine negative Bedeutung, als ob Gefahr drohe und das Baby im Mutterleib nicht mehr sicher sei. Frauen werden engmaschig überwacht. Auch das erzeugt Stress und stört nachweislich die Entwicklung von Geburtshormonen.

• Die Regel „41. SSW +/- 2 Tage" bedeutet für gesetzlich versicherte Frauen, dass sie sich genau an einem dieser vier Tage einem Facharzt vorstellen sollen. Hebammen müssen schwangeren Frauen diese Vereinbarung mit den Krankenkassen mitteilen. Schwangere Frauen jedoch können sich auf das Grundgesetz Artikel 2,2 berufen. Demnach sind sie für ihre eigene Gesundheit selbst verantwortlich.
Insbesondere Frauen, die eine außerklinische Geburt wollen, brauchen nichts zu befürchten, wenn sie die Regelung 41 +/- 2 Tage ignorieren.

Eine auf den ET fixierte Begleitung schwangerer Frauen stellt eine gravierende Kinderrechts- und Frauenrechtsverletzung dar.

Begründung:
1. Der errechnete Mittelwert, genannt ET, ist nicht mehr als der mittlere Tag eines Geburtszeitraums von 5 Wochen. Schwangerschaften dauern nachweislich unterschiedliche lange. 

2. Die seit 2020 durchgesetzte Regelung „41. SSW +/- 2 Tage" (eine Fachärztin aufsuchen zu müssen) verletzt Frauenrechte zur Wahl des Geburtsortes. Sie versucht, die außerklinische Geburtshilfe bei gesetzlich versicherten Frauen durch Hebammen zu reglementieren. Die Wahl des Geburtsortes ist jedoch ein Frauenrecht, das über dem Berufsrecht von Ärzten/Hebammen steht. (Grundgesetz Artikel 2,2)

3. Ca. 4 % aller Kinder kommen tatsächlich am „errechneten Geburtstermin“ zur Welt. Dieser geringe statistische Wert rechtfertigt nicht, an der Fixierung auf ein Datum festzuhalten.

4. Kinder reifen im eigenen Tempo im Zusammenspiel mit ihrer Mutter. Dabei spielen individuelle Faktoren eine gewichtige Rolle. Die Einleitung einer Geburt ohne medizinische Notwendigkeit verletzt Kinderrechte. Niemand würde auf die Idee kommen, Kindern Medikamente zu geben, damit sie alle am 13. Geburtstag geschlechtsreif werden. Die Geburtsreife des Babys ist hormonell bedingt. Von außen verursachter Stress der Mutter stört diesen sensiblen Prozess.

5. Die Rechte der Mutter werden verletzt, da sie sich in der letzten Phase des Übergangs von der Frau zur Mutter befindet. Niemand hat das Recht, das Tempo für diesen Prozess vorzuschreiben. Hier spielen archaische, hormongesteuerte biologische Vorgänge die größte Rolle. Aber auch die psychische Situation, dass die Frau die Bereitschaft braucht, das Baby „loszulassen“ und es mit der Familie und der Welt zu teilen, braucht Zeit.

Daraus folgt
• Respekt gegenüber den Reifungsprozessen, die bei der Schwangerschaft und Geburt eines Menschen eine Rolle spielen, gehört ins Zentrum jeder Schwangerschaftsbegleitung.
• Schwangere Frauen sollten sich daran erinnern, dass die Vorsorge freiwillig und durch Hebammen in vollem Umfang gewährleistet wird.
• Schwangere Frauen tun gut daran, sich einen Geburtstermin als Mitte von vier bis fünf Wochen vorzustellen. Mütter mehrerer Kinder wissen das. Die Faustregel: Datum +/- 14 Tage ist dabei hilfreich.
• dem eigenen Kind die Entwicklung zuzugestehen, die es braucht. Die Wehen, die es mit seiner Reife anstößt, sind Zeichen für den Start.

Zur Beachtung: Seit dem 16.2.2023 wurde ein Absatz in den Mutterschaftsrichtlinien ersatzlos gestrichen (Absatz A 7), der einen Arztvorbehalt zum Inhalt hatte! Der Grund: Nach nationalem und europäischen Berufsrecht ist die Hebamme dafür zuständig, zu entscheiden, ob ein Arzt zurate gezogen werden muss oder nicht.

11/2022

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