Wochenbett – neuen Raum betreten
Selbstfürsorge und Unterstützung von außen
„Heute ist der letzte Tag meiner 40 Tage Wochenbett, die ich mir vorgenommen habe. Vor 40 Tagen habe ich meinen wunderbaren Sohn zur Welt gebracht, zu Hause im Wasser. Es war eine schöne Geburt. Kurz und sehr intensiv.
Vom ruhig und entspannt sein in viele, starke Wehen. Wir waren alle gut vorbereitet und v.a. sehr bereit. Alle Gebete waren gesprochen, alle Rituale vollzogen, die Kinder waren da, Robert war DA, präsent, stark, klar und sehr ruhig. Ich war sehr weich und voller Vorfreude, im Bewusstsein und Vertrauen, dass ich und das Baby genau wissen, wie das geht.
Die ganze Schwangerschaft hindurch hatte ich heftige Prozesse und Auseinandersetzungen mit mir. Immer wieder ging es um Vertrauen, Hingabe, weich werden als Frau.
Und immer wieder hatte ich so starke Widerstände dagegen. Angst, Kontrolle, Misstrauen, Isolieren und Festhalten waren die Folgen meines eigenen Geburts- und Bindungstraumas. Vom ersten Moment an meines Lebens ging es ums Kämpfen. Der Überlebenskampf, den ich und all die Menschen erfahre haben, die keine sichere, stabile Bindung durch bedingungslose Liebe, Körperkontakt und sofortige Bedürfnisbefriedigung im Säuglings- und Kleinkindalter erleben.
Vom Anbeginn dieser Schwangerschaft wurde so viel von all dem getriggert und an die Oberfläche gespült. Meine lieb gewonnene, sichere Blase von „Die bin ich und das mache ich“, platzte und platzt noch heute und ich darf mich wieder neu finden.
Jede Schwangerschaft, jede Geburt und jede Zeit Postpartum sind die größten Umbrüche im Leben für Männer und Frauen. Die, die du vorher warst, wirst du nachher nicht mehr sein. Das erfahren wir in vielen Abschnitten unseres Lebens. Die Geburt eines Kindes ist nur eine Form davon.
Die 40 Tage Wochenbett vergleiche ich mit dem Sein in einem Kokon. Das, was ich vorher war, zersetzt sich, verliert ihren alten gewohnten Rahmen. Alles, mit was ich mich vorher identifiziert habe, finde ich nicht mehr wieder. So vieles von dem, was ich nicht mehr brauche, weil ich einen neuen Raum betreten habe. Im Schloss meines Lebens, muss ich gehen lassen, abstreifen.
Etwas ganz anderes ist jetzt gebraucht, ganz andere Qualitäten meines Frauseins. Oh, mit wie vielen Krisen das einher gehen kann, denn immer wieder schiebt sich die altbekannte Angst dazwischen, die sagt: „Wenn du dich hingibst und vertraust, bist du nicht sicher.“ Der alte Kampf. Und dann, doch wieder vertrauen und es ist schön.
40 Tage Wochenbett bedeuten aber auch und v.a., Selbstfürsorge first und ein großes, weites Netz an Unterstützung und Anteilnahme. Einen lieben Dank an alle, die für mich und meine ganze Familie gekocht haben und uns so herzlich mit köstlichen, gesunden Speisen versorgt haben.
An all die, die zu mir nach Hause kamen, um mich zu massieren, denn das steht auf meiner Selbstfürsorgeliste ganz oben. Danke an die, die unsere riesige Wohnung putzen. Die, die die Kinder ausführten und für sie da waren. Danke an die liebevolle Betreuung durch die Hebammen. Und danke für all die guten Wünsche und Segnungen durch Freunde und Bekannte.
Meine Zeit im Kokon ist noch nicht vorbei, doch strecke ich schon meine Fühler etwas nach draußen. :-)"
Mit einem herzlichem Dankeschön an Claudia Neubert
11/2022