Zeit und Wehenentwicklung
Die Entwicklung von Wehen erfordert individuell unterschiedlich Zeit
Beim ersten Kind dauert die Entwicklung von Geburtswehen meist einige Stunden länger als bei weiteren Kindern. Der Faktor Zeit spielt bei jeder Geburt eine wichtige Rolle. Um sich entspannen zu können, loszulassen und sich in die Geburtssituation fallen zu lassen, braucht es Ruhe, Gelassenheit und Geduld. Mutter und Kind brauchen Zeit, um alle Geburtshormone zu bilden, die fein aufeinander abgestimmt den Geburtsprozess in Gang setzen und steuern.
In Kliniken kommt es bei Frauen, deren Muttermund sich nicht innerhalb einer bestimmten Zeit öffnet, zu der Diagnose „Wehenschwäche". Im Rahmen klinischer Routine werden ca. 20 % aller Frauen zur Eile angetrieben. Ihnen wird vermittelt, dass sie nicht in der Lage wären, ausreichend Wehen zu „produzieren“.
Der wahre Hintergrund ist aber ein Zeitbemessungssystem, welches sich an Durchschnittswerten orientiert. Frauen, die mehr Zeit brauchen, erfüllen die Norm nicht und gelten als Patientinnen, denen Medikamente verabreicht werden müssen. 780 Minuten (13 Stunden) sei die Richtschnur, die bei einer Fragestunde im Bundestag erwähnt wurde. Nach einer Mitteilung des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) ist dieser Minutenwert nicht mehr bindend. Das heißt die Abrechnung erfolgt nach demselben Schlüssel, wenn die Geburt kürzer oder auch länger dauert. Pech haben Frauen, wenn sie zeitgleich mit vielen anderen gebären und das Personal bemüht sein muss, die vielen Frauen durchzuschleusen, denn das Personal dürfte selten aufgestockt werden.
Die Tendenz in Kliniken, aufgrund von „Wehenschwäche“ Wehenmittel zu verabreichen, steht im Widerspruch zu einer naturgemäßen hormonellen Entwicklung, insbesondere bei Erstgebärenden.
Sie steht auch im Widerspruch zu Kinderrechten, die für Kinder vor, während und nach der Geburt gelten. Z. B. das Recht auf Leben, auf Gesundheitsvorsorge und auf Schutz vor Gewaltanwendung (Art. 1, 24 und 19 der KinderrechtskonventionKRK).
Gewalt? Kinder, die geboren werden, stehen in hormoneller Wechselseitigkeit zur Mutter. Eine Wehe kommt, das Kind spürt die Veränderung und stellt sich langsam drauf ein. Wenn jedoch künstliche Wehenmittel gegeben werden, muss sich das Kind der von der Schwester oder Hebamme eingestellten Dosis für die Häufigkeit und Stärke der Wehen anpassen. Geht der Mutter dabei der Atem aus, weil die Pausen zu kurz sind, hat auch das Kind keine Zeit mehr, sich zu erholen. Stress für das Kind ist die Folge, schlechte Herztöne. (Man weiß schon, warum bei künstlichen Wehen das Anlegen des CTG vorgeschrieben ist.) Die Wahrscheinlichkeit des Kaiserschnitts steigt. Und das alles ohne Not.
Wehenmittel werden künstlich hergestellt, auch wenn es heißt, dass sie natürlichen Hormonen entsprechen. Sie verursachen stärkere Schmerzen als natürliche Wehen. Ein sogenannter Wehensturm kann die Folge sein. Das kann für die Gebärende sehr unangenehm und anstrengend sein, weil die Wehenpausen verkürzt sind und Ruhepausen für Mutter und Kind fehlen. Auch Kopfschmerzen und Erbrechen kommen häufig vor.
Die werdende Mutter ist in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, weil das CTG sie behindert. Meist führt das zu einer liegenden Geburtsstellung, die nachweislich länger dauert und auch gefährlicher für das Kind ist, weil die Schwerkraft nicht genutzt werden kann. Häufig werden schmerzlindernde Mittel gegeben. Sie beeinflussen den Geburtsverlauf negativ und können zu Kreislaufproblemen führen. Folglich werden Kreislauf stabilisierende Medikamente nötig mit weiteren nicht absehbaren Konsequenzen.
Das Ende dieser Kette von Eingriffen (Interventionskaskade) in den naturgemäßen Geburtsverlauf ist häufig ein Kaiserschnitt wegen „schlechter Herztöne“ des Kindes.
Aus unserer Sicht (GreenBirth) ist das eine Besorgnis erregende Fehlentwicklung, insbesondere wenn ca. 50 % aller CTG-Messungen vor und während der Geburt zu Fehldiagnosen führen (Angaben der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe 2014) bzw. 2 Stunden vor der Geburt 90 % aller CTG-Messungen pathologische Ergebnisse zeigen, aus: „Gegen den Trend – Wie es gelingen kann, die Kaiserschnittrate zu senken“ Broschüre des AKF 2018, S. 12
Jede Frau hat das Recht, im gemeinsamen Rhythmus mit ihrem Baby zu gebären. Die Zeit, die sie dafür braucht, ist zu respektieren. Die Geburt ist beendet, wenn die Nabelschnur nicht mehr pulsiert und die Plazenta geboren ist.
Zeitdruck: Sprechen Sie das Thema beim Infoabend in der Klinik an.
Fragen Sie nach dem Personalschlüssel und nach der Kaiserschnittrate. Ebenfalls können Sie dafür sorgen, dass die Nabelschnur Ihres Babys auspulsiert, bevor abgenabelt wird. Damit verhindern Sie auch, dass Ihr Baby nach der Geburt sofort weggetragen wird, um es kinderärztlich zu untersuchen. Dieses kann auch eine Stunde später geschehen.
11/2022